Natursport, soziale Erholung und Gesellschaftskritik

Das gemeinsame Wandern stand am Anfang der organisierten NaturFreunde. Seit der Gründung als „touristischer Gruppe“ im Jahr 1895 ist es natursportliche Kernaktivität in einem sich stetig weitenden Tätigkeitsspektrum. Den NaturFreund*innen diente das Wandern nicht nur der Erholung, sondern ermöglichte auch das Erleben von Solidarität in der eigenen Bewegung sowie die Propagierung sozialer und politischer Ziele. Den Menschen sahen und sehen wir ganzheitlich als soziales, kulturelles, politisches und lernendes Wesen.

Den Begriff Soziales Wandern gibt es seit 1911. Der Leipziger Gustav Hennig beschrieb es so: „Wer draußen Menschen menschlich nach ihrer Art begegnet, der wird namentlich viel mehr lernen als aus dicken Folianten.“ Der österreichische Journalist Max Winter sah es so: „Nicht die Zahl der zurückgelegten Kilometer bringe heim, sondern die erweiterte Einsicht in das vielgestaltige Leben der Menschen. Das ist soziales Wandern!“

Die touristisch erfahrene Umwelt sollte in ihrer geschichtlichen und sozialökonomischen wie auch in ihrer geologischen oder biologischen Struktur verstanden werden.

Bereits in der ersten Nachkriegsausgabe der Mitglieder-Zeitschrift Wandern + Bergsteigen betonte der Frankfurter NaturFreund August Schuy die Bereicherung des Erlebens beim Sozialen Wandern. Voraussetzung sei nur „unser Interesse an sozialen Verhältnissen überhaupt“. Es gelte, nicht nur die Werke der Natur aufzunehmen, sondern „mit wachen kritischen Augen“ auch das „Menschenwerk“ zu sehen!

Ende der 1970er-Jahre beschäftigte sich der NaturFreund Ernst Rohm wieder mit dem Konzept. Er lenkte den Blick auf die Ausbildung: „Es kann einer sein Leben lang wandern, ohne zu einer sozialistischen Überzeugung zu kommen“. Damit das Wandern politische Erkenntnisse produziere, brauche es einen gesellschaftlich geschulten Blick – und dafür wiederum speziell ausgebildete Wanderführer*innen, die sich mit den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten und den sozialen Spannungen in den durchwanderten Landschaften beschäftigten.

Heute wird das Soziale Wandern zwar vielfach praktiziert, aber nur noch selten auch ausdrücklich so genannt. Der Publizist Ulrich Grober bringt es so auf den Punkt: „Wandern hat mit Freiheit zu tun, aber auch mit Gleichheit. Es ist ein Element des guten Lebens, zu dem Menschen aus allen Schichten unabhängig von ihrer Kaufkraft gleichen Zugang haben sollten. Diese ‚demokratische‘ Dimension hat das Wandern in der Vergangenheit immer gehabt. Sie ist unbedingt zu bewahren.“

Wandern ohne Ruhe, Erholung und Kontemplation ist ebenso eine Verkürzung des naturfreundlichen Wanderns wie der Ausschluss sozialer, politischer, ökonomischer und ökologischer Faktoren. Nicht jede Tour kann und soll ein Seminar sein – unterschiedliche Wanderzugänge ergänzen sich.

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